Protokoll der 55. Zusammenkunft der SED am 10.12.11 in Carlsruhe

 

„Menschen seh ich allerdings nicht. Na, das ist ja auch nicht gut möglich“, denke ich, als mein Gemahl und ich die völlig menschenleere Gaststätte „Alter Brauhof“ betreten. Schließlich treffen sich heute hier die Donaldisten. Was wohl aus der Bevölkerung geworden ist, die hier gelebt hat?

Bald treffen in rascher Folge Herr Herges, Herr Mack und Herr Sellheim ein, Frau Marliese und Herr PaTrick Martin samt dreier Nichten und Neffen des ebenfalls anwesenden Herrn Oliver Martin, schließlich Frau Dioszeghy-Krauß nebst Gemahl.

Da mir nicht der Sinn danach steht, mich auf endlose, nervenaufreibende Diskussionen darüber einzulassen, wer Protokoll führen wird und mir stundenlang Ausreden anzuhören (Ich bin Geschäftsmann. Ich bin unabkömmlich. Ich besitze Eisenbahnen und Zeitungen.), warte ich bereits mit gespitztem Kugelschreiber und jungfräulichem Protokollblock. Diese dummen Ausreden kenn ich zur Genüge. Aber mich kann man nicht für dumm verkaufen. Mich nicht!

Jedoch muss ich feststellen, dass man es der Protokollantin an diesem Abend nicht einfach machen will. Offenbar bewegt die Anwesenheit in der Stadt des Rechts viele Anwesende dazu, ihre Erfahrungen mit Justitia zum besten zu geben.

„Denn einklagen kann ich so eine kleine Summe nicht“, heißt es beispielsweise. „Das lohnt nicht die Gerichtskosten. Das Geld ist also futsch.“ Jedoch wird feierlich gelobt und an Eides statt versichert, dass man, sobald man in den Besitz des rechtsstrittigen Barvermögens gelange, bei der nächsten ZK „einen rauszutun“ gedenke. Auch bei manch anderem, das man mir an diesem Abend im Flüsterton anvertraut, werde ich ersucht, es nicht einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, da es entweder „geheim“ oder „zu peinlich“ sei. „Habt Erbarmen mit uns! Ich fleh euch an, verratet uns nicht.“ - Wir bewahren euer Geheimnis.

Andererseits werden arglos Dinge preisgegeben, die man vielleicht besser für sich behalten hätte. So plaudert der Kommissarische Generalsekretär, als er feststellen muss, dass sein alljährlicher musikalischer Beitrag (dieses Mal auf der Maultrommel) erneut nicht recht zu überzeugen weiß („Das wird ihnen in die Beine fahren!“ - Es rührt sich nichts.), unbefangen aus, die Ursache sei darin zu suchen, dass ihm „der Zapfen abgebrochen“ sei. Frau Dioszeghy-Krauß weiß das daraufhin entstehende schockierte Schweigen geschickt zu kaschieren, indem sie vergoldete Tannenzapfen (sic!) verteilt.

Auch verbittet Herr P. Martin sich jegliches Scherzen an diesem Abend, da er nicht lachen dürfe, wofür wiederum eine andere Verletzung ursächlich sei, nämlich eine gebrochene Rippe nach undonaldischem Fahrradunfall.

Sogleich macht er sich daran, uns dieses Versprechen so schwer wie möglich zu machen, indem er beispielsweise eine – wenn auch nur mäßig überzeugende – Napoleonimitation zum besten gibt.

 

Da – da auf deinem Haupte!

 

Dass an diesem Abend im Lokal eine Spezialität angeboten wird, die so ähnlich wie „Crunchy Frog“ heißt, kann die überschäumende Stimmung ebenfalls nicht beruhigen, ebenso wie die Verteilung von Schokoladennikoläusen, die zu den üblichen Begeisterungsrufen führt: „Nikolausi!“ – „Osterhasi!“

Sie sind ganz außer Rand und Band.

 

Im Auftrag der hochverehrten Präsidente der Donald hat Herr Herges den Auftrag, dem Leuchtkamel zwei Orden zu verleihen, zum einen anlässlich seiner Ehrung als Mundschenk der Donald, zum anderen als Mitglied der PUTT (der Präsidente-unter-den-Tisch-Trinker).

 

Da, seht euch das an, Kinder!

 

Herr Mack weiß seine Rührung mit den Worten zu überspielen: „Zwei Orden an einem Tag verliehen zu bekommen, tut mehr für den Brustumfang als jedes Silikonkissen.“

Und dann kommt es zum gefürchteten der Tagesordnungspunkte der Weihnachtssitzungen der SED  - der Tombola.

 

Achtung! Fertig! Los!

Zunächst geht alles noch reibungslos vonstatten. Herr Sellheim erhält eine Donaldlampe, um die er allgemein beneidet wird, und ist damit für dieses Jahr noch einmal davongekommen.

PaTrick erhält einen der gefürchteten Wiedergänger (Nichts als alte Kisten!), ein schon im vergangenen Jahr recht ungeliebtes Plastiktier (Seien Sie doch vernünftig, mein Herr! Es hat keinen Zweck, sich zu wehren.), was bei den übrigen Teilnehmern zu merklicher Entspannung führt: „Zum Glück ging dieser Elch an mir vorüber.“

Dann bricht das Chaos aus. Alle drei anwesenden Damen (von Anthea Martin abgesehen; es dürfen nur Volljährige an der Tombola teilnehmen) gewinnen jeweils genau das, was sie höchstselbst zur Verlosung mitgebracht hatten. Dies führt zu heftigem Tauschrattentum, wodurch ich die Übersicht verliere und nicht mehr weiß, was denn nun wem gehört. Dass Herr Krauß ein Los gezogen hat, obschon er keinen Gewinn mitbrachte und obendrein ein privates Weihnachtsgeschenk versehentlich unter die zu verlosenden Gegenstände geriet, macht die Sache nicht einfacher. Das Fließband muss abgestellt werden.

 

Jedenfalls gewinnt Herr Timm anschließend ein ebenso praktisches wie ganz und gar unnötiges Set von Reisekleiderbügeln im edlen Lederetui. („Ich will sie im Ozean versenken, dort, wo er am tiefsten ist.“)

Herr Mack darf ab jetzt nicht nur eine wunderschöne Donaldtasse sein eigen nennen, sondern ein paar selbstgestrickte Wollsocken, für die andere Männer töten würden. Nächtelang saß die Protokollantin im Licht einer flackernden Kienspanlampe, um sie mit gichtigen Fingern zu fertigen. Jedoch weiß Herr Mack sie in einem Maß nicht zu würdigen, die mich nachhaltig verstimmt. Er wird sie irgendwie verschwinden lassen. - Aber ich lass mich von so einem Missgeschick nicht unterkriegen. Ich hab schon eine Idee.

 

Herr Herges wird nahezu komplett neu eingekleidet und erhält nicht nur Dagobert-Boxershorts, sondern auch passende Socken und einen Plastikneffen von beeindruckender Größe. Dabei wird er derartige Zuwendungen bald nicht mehr nötig haben, denn er befindet sich laut eigenem Bekunden auf dem besten Wege, um Beamer, äh, Beamter zu werden.

Herr O. Martin gewinnt einen ganzen Berg donaldischer Paraphernalia, mit denen er nach allgemeiner Meinung durchaus nicht unzufrieden sein darf.

 

Keuch! Schluck! Japs!

 

Wer kommt zum Kongress?, heißt es bald darauf, und dann wird hart um die SED-ZK-Termine des nächsten Jahres gerungen (4.2.12, 5.5.12, 22.9.12, 8.12.12). Wir können uns also sehen. Und sprechen ebenfalls.

Der Abend schreitet unaufhaltsam voran. Bin neugierig, wie lange die Sache mit der Lufterneuerung funktioniert.

Die satzungsgemäß auch dieses Mal gegründete Unterorganisation ist dieses Mal die

 

E ntenhausener

U nter-

R eserve-

O rganisation

 

Nach vielen Stunden …

Herr Mack berichtet wenig glaubhaft, dass er völlig zufällig und durch eine Verkettung unglücklicher Umstände auf eine Internetseite geriet, auf der gezeichnete minderjährige Damen mit gewaltiger Oberweite zu sehen waren, die sich von ihm in ihrer Privatsphäre offenbar so beeinträchtigt fühlten, dass sie in ihrer Verärgerung nicht daran dachten, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um seinen Rechner vor einem bösartigen Virus zu schützen, unter dem die ansonsten wohl recht proper aussehenden Damen offenbar litten.

(Damit sind wir quitt.)

Als wir bemerken, dass die Herren am anderen Ende des Tisches beginnen, Schupfnudelrezepte auszutauschen, halten wir den Zeitpunkt für gekommen, den offiziellen Teil der Veranstaltung mit dem Absingen der Hymne zu beenden.

Und nun zurück nach Haus!

 

(Hervorgehobene Zitate aus „Der verlorene Zehner“.)

Protokoll: Uschi